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Ägyptische einheimische Medizin


Einfluss der westlichen Medizin in Ägypten
seit Beginn des 19. Jahrhunderts





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2143: Die einheimische Medizin zu Beginn des 19.Jahrhunderts

21431: Der Hakim und einige Behandlungsmethoden
21432: Die Hakima oder Hebamme
21433: Der Zauberer oder Schlangenbeschwörer
21434: Der Kräuterhändler


2221: Die einheimische Medizin gegen Mitte des 19. Jahrhunderts


22211: Geister und Dschinns

22212: Geisteskranke

22213: Schmerzbekämpfung
22214: Krankheiten allgemein
22215: Augenentzündungen und Gerstenkorn

22216: Gehbehinderung

22217: Allgemeines über "Gegenmittel"
22218: Zaubermittel, Talismane, "das böse Auge ( böser Blick )" und Weihrauch
2222 : Abgrenzung von Derwisch, Zauberer; Hakim, Hakima und anderen Heiltätigen
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

22221: Der Derwisch und der Zauberer
22222: Die Hakima ( Hebamme )
22223: Der Hakim ( Arzt ) und der Misajen ( Barbier, Bader ) )

22224: Der Uleman und andere Geistliche
22225::Das Leben im aegyptischen Dorf

_________________________________________________________________________________________________
2143: Die einheimische Medizin zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Die ägyptische einheimische Medizin ist keine eigenständige Volksmedizin. Sie leitet sich aus
überlieferter religiöser Medizin her, die ihrerseits zum großen Teil noch aus der Antike, der
griechisch-römischen und der altägyptischen, stammt.

Im einzelnen soll hier zunächst über den Hakim (zu deutsch: Arzt ) und einigen seiner volkstümlich üblichen Behandlungsmethoden berichtet werden ( 21431 ), ehe die Tätigkeit der Hakima
( Ärztin, Hebamme ) ( 21432 ) des Zauberers, zu denen die Schlangenbeschwörer gehören
( 21433 ), und des Kräuterhändlers ( 21434 ) beschrieben wird.

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21431 : Der Hakim und einige Behandlungsmethoden


Der Hakim ( arab.: Arzt ) war in erster Linie Barbier und zugleich Bader in Badehäuser oder
Besitzer eines solchen und beschränkte sich fast ausschließlich auf die Behandlung von
" äußeren " Erkrankungen. Hier wurden noch Methoden praktiziert, die in Europa kaum mehr angewendet wurden, z.B. der Gebrauch von Moxa, Schröpfgläsern, leichte Skarifikationen bzw. Tüpfelungen, trockene Massagen, Öl-Friktionen nach dem Besuch von Bädern ( Anm. 22 ).
Heikle Operationen, wie bei Zystotomie oder Hernienformen und Amputationen waren zur Zeit
der Expedition Napoleons den ägyptischen Ärzten unbekannt oder nicht durchgeführt. Die
Betroffenen starben oder siechten dahin. Äußere Tumoren behandeltendie ägyptischen Ärzte
lediglich mit " Feuer ", stark ätzenden Substanzen oder Inzisionen ( 66, 53 ). Der einzige
chirurgische Eingriff des Hakim war die Zirkumcision ( Beschneidung ) bei den Knaben ( Anm. 22 )
 ( s.auch Gestern und Heute»» ).

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Es war im Grunde nicht üblich, sich von Ärzten behandeln zu lassen - lediglich im äußersten
Notfall - denn die Einheimischen behandelten ihre Leiden selbst mit altbewährten Rezepten,
die sie seit Generationen kannten. Außer bei der Pest ( 19, 66 ) wussten sie das jeweilige
Leiden mittels Diät, Ruhe, erfrischenden Getränken, leichten Skarifikationen, die sie mit dem
Rasiermesser auf dem Nacken, dem Scheitel, auf der Brust, dem Rücken und auf den Beinen
durchführen konnten, zu behandeln. Zusätzlich gab es warme Bäder und Behandlungen durch schmerzstillende Mittel. Bei gastrischen und putriden Erkrankungen tranken die Patienten das
süße Tamarin und Aufgüsse von Kassia-und Sennesblättern. Gegen die " asthenischen Erkran-
kungen " benutzten sie Theriak, Opium, Kaffee, nahmen warme Bäder und machten Körper-
übungen. Nilwasser oder Milch, einige Stunden stehen gelassen und dann getrunken, diente
als Abführmittel ( 66, 19, 9).

Die Ägypter hatten einen " großen " Abscheu vor Emetika und Einläufen, dennoch machten sie
von letzteren im äußersten Notfall mittels einer Rindsblase, die mit einer Kanüle versehen war, Gebrauch. Opiate verschiedenster Art wurden in großen Mengen verwendet, je nach Krank-
heit oder Zustand eines Individuums. Opium und Kräuter dominierten, wenn es darum ging,
die Kräfte zu vertreiben, die Melancholie und Traurigkeit verursachten.

Aromatische Substanzen wurden für oder gegen die Potenz bzw.Fruchtbarkeit verwendet.
Zum Beispiel wurde Kampfer nach voraufgehender Emulgierung mit kaltem " Saatmaterial "in
hohen Dosen erfolgreich gegen Fertilität oder Priapismus verabreicht ( 66, 53, ).

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21432: Die Hakima oder Hebamme

Frauen waren von Männern stets getrennt ( 66, 53 ), so wie es in einigen Ländern des Orients
heute noch üblich ist. In Ägypten besaßen oder leiteten einige Frauen Bäder. Wenn diese
Bäder von Frauen besucht wurden, war Männern der Zutritt streng verboten. Auch die Freuden-
häuser wurden von Matronen geleitet.Sie waren die Ärztinnen ( Hakima ) des Landes, die auch Hebammefunktion übernahmen. Diese Kunst erlernten sie gewöhnlich von ihren Müttern. Sie
konnten auch Abtreibungen und Kaiserschnitte ( 33 ) durchführen und besaßen geheime
Rezepte für die Fertilität und für die Jungerhaltung von Busen und Geschlechtsteilen der Ehe-
frauen und Prostituierten. Ferner waren die Matronen für Impfungen, die Beschneidung von
Mädchen ( Anm.23 ) und die Entfernung der Körperbehaarung bei Frauen zuständig ( 59 ).

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21433: Der Zauberer oder Schlangenbeschwörer

Zur Zeit der Expedition Napoleons gab es Zauberer, die zur Derwische ( Abschnitt 22221 )
gehörten und denen besondere Fähigkeiten zugeschrieben wurden, nämlich die Menschen
von Schlangen zu befreien oder vor der Giftwirkung der Schlangenbisse oder Skorpionstiche
zu schützen, indem sie sie gegen die Giftwirkung " immun machten ". Diese von seinen Vor-
fahren, den Psyllen, erworbene Kunst, verlief nach einem bestimmten Zeremoniell: Zunächst
ging der Zauberer mit einem Korb über dem Arm durch die Straßen der Städte und Dörfer und verkündete den Bewohnern mit lauter Stimme, dass er bereit sei, ihre Häuser von Schlangen
zu befreien.

Wurde er gerufen, betrat er mit geheimnisvollen Bewegungen und Blicken das Haus
und gab sich einen " prophetischen Ausdruck ". Dann begann er seine Augen zu rollen und in verschiedene Richtungen zu drehen und beendete diese Augenbewegungen, sobald er den Ort,
wo die Schlange sich befinden sollte, lokalisiert hatte. Meinte nun der Zauberer, " den Geruch "
der Schlange zu verspüren, nahm er einen " göttlichen " Stock, gab mit schleppender Stimme
ungefähr fünf Minuten einige Beschwörungen und Inflexionen ( Modulationen der Stimme ) von
sich, spie auf den Boden, neigte sich, stand wieder auf und zeigte die Schlange, die sich in
einem Loch in der Wand versteckt hatte, auf dem Stock, um den sie sich gewickelt hatte. Dann
hielt er sie mit dem Stock am Kopf fest, packte sie am Schwanzende und legte sie in den Korb.

Den Schutz vor der Nachwirkung eines Bisses oder Stiches erhielt man folgendermaßen:

Der Zauberer gab etwas Wasser in ein Gefäß und setzte Öl und Zucker hinzu. Dann, nach
dem Sprechen von Gebeten, spie er hinein und ließ den zu Heilenden die Mischung trinken.
Anschließend hängte er an die Ohren der Betreffenden zwei große Schlangen, die sich un-
gefähr 15 Minuten daran festbissen. Danach war die Prozedur beendet. Der " Patient "
zahlte seine Gebühr und ging " glücklich und völlig überzeugt " von dannen ( 53,1, Anm. 24 ).

zauberer
Ein Zauberer ( 1 )

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21434: Der Kräuterhändler

Es gab zahlreiche Kräuterhändler in Läden oder solche, die auf Karren die verschiedensten
Kräuter, Harze, Essenzen und Kultgegenstände verkauften .

krautkarre krautladen 
Kräuterhändler Heute
( auf Karren oder in Läden )

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2221: Die einheimische Medizin gegen Mitte des 19. Jahrhunderts

Wie festgestellt wurde, gab es bei der ägyptischen einheimischen Medizin, keine scharfe
Grenze zwischen Medizin, Religion und Zauberei.Ferner sollen die Ägypter von alters her im
arabischen Raum die Menschen mit dem größten Aberglaube gewesen sein. Dies war auch
gegen Mitte des 19. Jahrhunderts und bis heute noch der Fall ( 19, 65 )

Hier einige Beispiele: Geister oder Dschinns ( 22211 ), Geisteskranke ( 22212 ), Schmerz-
bekämpfung ( 22213 ), Krankheiten allgemein ( 22214 ), Augenentzündungen und Gerstenkorn
( 22215 ), Gehbehinderung ( 22216 ), Allgemeines über " Gegenmittel " ( 22217 ) sowie über Zaubermittel, Talismane," das Auge " bzw " den bösen Blick " und über Weihrauch ( 22218 ).

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22211: Geister und Dschinns

Vieles in ihrem Aberglauben ist Teil ihrer Religion und vom Koran sanktioniert. Der wichtigste
Teil ist der Glaube an Dschinns. Dies sind Geister, die preadamischen Ursprungs haben sollten,
als gut oder böse galten ( Anm. 37 ) und die verschiedenste Formen annehmen können. Sie besitzenen die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, zu schädigen, zu verletzen oder sogar
zu töten.

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Abschnitt 5 ( Schlussbemerkung )
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22212: Geisteskranke

Die Ägypter glaubten nicht nur an übernatürliche Wesen, sondern auch an Menschen, die als
direkte Vermittlung zu Gott galten. Dies waren die Geisteskranken. Diejenigen, die als gefähr-
lich für die Allgemeinheit galten, wurden eingesperrt ( s. über Moristan Abschnitt 2141 ),
während man die " Ungefährlichen " frei herumlaufen ließ und sie als heilig ansah. Geistes-
kranke waren Menschen, deren Geist im Himmel und deren Körper mitten unter der Volks-
menge war. Ihre Seele vermutete man in so tiefem Glauben versenkt, dass ihre Lüste ohne
Kontrolle blieben. Man sah hauptsächlich männliche Geisteskranke, von denen einige mit
einem Fell bekleidet waren und andere nackt herumliefen. Selbst wenn sie Frauen schänd-
eten oder auf der Straße belästigten, wurde dies vor allern bei der unteren Bevölkerungschicht
nicht als Schande angesehen. Derartige Vorfälle gab es allerdings sehr selten.

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22213: Schmerzbekämpfung

Es gab ein hölzernes Tor ( Bab Zuweylih-El-Mitwalli ) in Kairo, das als heilig angesehen wurde
Viele Menschen, die unter Kopfschmerzen litten, hämmerten einen Nagel in dieses Tor, um so
die Schmerzen zu vertreiben. Andere, von Zahnschmerzen Geplagte, steckten den Zahn, nach-
dem sie ihn extrahiert hatten, in ein Loch des Tores oder befestigten ihn dort auf andere Weise,
um sicher zu sein, nicht wieder von Zahnschmerzen befallen zu werden.

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22214: Krankheiten allgemein

Bei Krankheiten ließen Muslime häufig Christen oder jüdische Geistliche für sich beten. Ebe-
falls baten Christen und Juden im Krankheitsfalle muslimische Geistliche, für sie zu beten.
Als Gegenleistung küsste man vor oder nach dem Gebet deren Hände oder bot ihnen Geld
oder Geschenke an. Außerdem versprachen Fellachen, wenn sie von einer Krankheit geheilt
zu werden hofften, einen Sohn bekommen wollten oder ein anderer Wunsch in Erfüllung gehen
sollte, einem verstorbenen Geistlichen eine Ziege, ein Lamm oder Schafe. Bei Erfüllung des Wunsches wurde das Tier vor dem Grab dieses Geistlichen geschlachtet und im Dorf ein Fest gefeiert.

Die meisten Ägypter erwarteten nicht nur einen Segen, wenn sie das Grab eines Heiligen be-
suchten, sondern fürchteten auch, wenn sie es nicht besuchten, von einer Krankheit oder einem Unglück heimgesucht zu werden.

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22215: Augenentzündungen und Gerstenkorn

Um sich z.B. vor " Ophthalmie " zu schützen, wurde Schlamm vom Nilufer genommen und am gegenüberliegenden Ufer deponiert. Eine andere Methode, sich vor " Ophthalmie " zu schützen
oder sich davon zu befreien, war die, dass man eine venezianische Zechine von der Kopfbedeck-
ung her über die Stirn oder das erkrankte Auge hängte. Dabei musste diese Zechine eine be-
sondere Beschriftung oder Zeichnung haben, auf der die Figuren auf jeder Seite Kopf an Kopf
und Fuß an Fuß standen. Wenn jedoch eine andere Person, die eine solche Zechine oder einen
Taler in ihrer Tasche bei sich trug und den Raum eines an einer " Ophthalmie " Erkrankten oder
an Fieber Leidenden betrat, glaubte man, dass die Leiden sich verschlimmerten. Das galt auch
für den Fall, wenn ein Ungläubiger den Raum betrat. Ein von einem Gerstenkorn Betroffener ging
zu jenen sieben Frauen, die Fatima hießen ( Anm. 37) und in sieben verschiedenen Häusern wohnten.zurück Diese bat er um ein Stückchen Brot, das der Leidende als Heilmittel verzehrte. Eine
andere Methode war, dass man vor dem Morgengrauen, ohne ein Wort zu sagen, an mehreren
Gräbern von rechts nach links vorbeiging; während bei üblichen Grabbesuchen das Gegenteil
der Fall war.

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22216: Gehbehinderung

Wenn ein Kind nach einein gewissen Alter noch nicht altersentsprechend gehen konnte, wurden
beide Beine durch ein Palmenblatt mit drei Knoten zusammengebunden, und man brachte es an einem Freitag während eines Gottesdienstes vor das Tor der Moschee. Wenn die Betenden die Moschee verließen, wurden die ersten drei ersucht, je einen Knoten zu lösen. Dies sollte dazu
führen, dass das Kind gehen konnte.

22217: Allgemeines über "Gegenmittel"

Es gab verschiedene Gift- und Krankheitsgegenmittel. Den Benzoarstein z.B. verwendete man
als Giftantidot, indem man einen Behälter mit Wasser füllte und einen solchen Stein an der Gefäßwand rieb. Nach dem Rühren war die Lösung als Hilfsmittel gegen " Gift " geeignet.
Gegen Gelbsucht soll z.B. das Wasser eines bestimmten Brunnens ( Bir el-Yarahan ) in Kairo
sehr wirksam gewesen sein.

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22218: Zaubermittel. Talismane, "das Auge ( böser Blick ) " und Weihrauch

Zaubermittel oder Talismane sollten den Menschen vor Unglück und Krankheiten schützen. Am beliebtesten war eine kleine Ausgabe des Koran, die man immer bei sich trug; außerdem ein
kleines Buch mit einigen Kapiteln aus dem Koran ( wie Sure 6, 18, 36, 44, 55, 67 und 78 oder
andere, meist sieben Suren ). Im Koran tauchen häufig Sätze auf, in denen Gott als " Bewahrer ",
" Beschützer " oder " Bewacher " auftritt ( 65 ). Diese Sätze wurden mit kleinen Buchstaben auf
Papier geschrieben und in einem kleinen Seiden-, Leder-, Gold-, Silber- oder Zinnschächtelchen aufbewahrt. Meist hängte man es sich um den Hals oder trug es bei sich.

Auch die neunundneunzig Namen oder Titel des Propheten, die auf einen Gegenstand ge-
schrieben wurden, galten als Zaubermittel. Wenn sie in einein Haus aufbewahrt wurden und
häufig vom Anfang bis zum Ende gelesen wurden, sollte der Betreffende vor Unglück, " Pest-
ilenzen " allen Krankheiten, Schwäche, Gebrechlichkeit, Feuer, Ruin, Verzauberung, Ängsten, Kummer, Unannehmlichkeiten und dem " böse Auge " bzw. dem " bösen Blick " geschützt
werden. Als beste Art, Erkrankungen oder Krankheiten wegzuzaubern, galt die Niederschrift
einiger Sätze des Koran in das Innere eines Tongefäßes, das daraufhin mit Wasser gefüllt
wurde, welches man solange rührte, bis die Schrift völlig verschwunden war. Anschließend
wurde die Lösung getrunken ( 65, vgl. Abschnitt Gegenmittel oben ). Allgemein soll der Talis-
man ( wie überall in der Welt ) Glück bringen oder vor Schaden schützen.

Wie bereits erwähnt, trugen schon Kinder Zaubermittel gegen " das böse Auge " bzw. " den
bösen Blick ". Diese hatten meist die Form eines Dreiecks, das auf der Kopfbedeckung getrag-
en oder um den Hals gehängt wurde. Zusätzlich hatte man kleine blaue Kugeln, Muscheln
u.a. bei sich. Auch Pferde erhielten solche Mittel. All dies sollte hauptsächlich gegen Neid
helfen, und zwar nicht nur Neid auf Kinder oder Pferde, sondern auch allgemein auf materiellen
Besitz oder Reichtum; denn man glaubte, daß der Neid eines Menschen den Beneideten Krank-
heit oder Unglück bringen könne. Äußerte sich jemand in einer Form, die von anderen als un-
passend oder als neidische Bewunderung empfunden wurde, sagte man zu demjenigen, dem
die Bemerkung galt, die Worte " Segne den Propheten ". Antwortete die Person, die die un-
passende Bemerkung geäußert hatte, nicht " Oh Gott, begünstige ihn ", so war eine üble Wirk-
ung zu erwarten. Anstelle des Ausdrucks der Bewunderung " Wie schön " wurde eher " Was
Gott gewollt hatte? " " Was Gott will " bevorzugt. Wurde ein Kind bewundert, war es üblich,
außer " Was Gott gewollt " auch noch " Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn des Morgen-
grauens " ( Anm. 37 zu sagen. Häufig wurde des Mißverständnisses wegen auf eine Äuß-
erung verzichtet. Selbst der auf ein Kind gerichtete Blick wurde manchmal als Neid empfunden.
In diesem Fall schnitt man aus dem Kleid des Kindes ein kleines Stück heraus und verbrannte
es mit etwas Salz in einem Schälchen zusammen mit Koriandersamen, Alaun usw. als Weih-
rauch. Dabei wurde der Rauch um das Kind bzw. die Kinder verteilt und die Asche über das
Kind ausgeschüttet. Dies sollte kurz vor Sonnenuntergang, wenn die Sonne rot war, geschehen.
Auch wenn jemand im Hause erkrankt war, wurde Weihrauch verwendet, um Schaden durch den
" bösen Blick " zu vertreiben und damit die Krankheit weichen sollte. Außer den genannten Substanzen wurden noch Bezoin und Aloeholz u.a. benutzt. Der Rauch wurde in allen Räumen verteilt. Dabei rezitierte man die Fatiha ( " Öffnende ", Anm. 40 ).

Es war auch üblich, die Kinder, um sie gegen den "bösen Blick" zu schützen, schmutzig zu
kleiden, damit man sie nicht beneiden konnte. Weiterhin wurde auf die Säuberung ihrer Augen verzichtet. Deshalb konnte man häufig Fliegen in beiden Augen sehen. Die Eltern betrachteten
das Berühren der Augen oder gar das Waschen derselben als schädlich. Sie schienen auch
fest davon überzeugt zu sein, dass der Verlust der Sehkraft auf zu häufiges Manipulieren und Waschen zurückzuführen sei. Bei Hochzeiten oder Beschneidungen wurden große Kerzen vor
die Haustüren der Betreffenden gehängt. Wurden diese Kerzen von Fußgängern zu lange be-
trachtet, ließ man ein großes Glas fallen, damit die Aufmerksamkeit der Zuschauer abgelenkt
wurde und somit die Brautpaare oder Kinder vor dem " bösen Blick " geschützt wurden
( Anm. 41 ).

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2222: Abgrenzung von Derwisch, Hakima. Hakim und anderen Heiltätigen in der Mitte
des 19. Jahrhunderts

Wie aus dem vorliegenden Texte zu ersehen ist, ließen sich die Ägypter von Ärzten selten oder
nur im äußersten Fall behandeln. Dann, wenn ihre Selbstbehandlung erfolglos war, standen um
die Mitte des 19. Jahrhunderts noch der Derwisch ( 22221 ), die Hakima ( 22222 ), der Hakim
und der Misajen ( 22223 ) oder auch der Ulema und andere Geistliche ( 22224 )
zur Verfügung.

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22221: Der Derwisch ( Zauberer )

Zu den Derwische gehörten z.B. auch die Schlangenbeschwörer, die zu Beginn der 19.
Jahrhundert von den Gelehrten der französische Expedition schon beschrieben wurden ( s.oben Abschnitt 21433 ) oder die Zauberer, die mittels Duftstoffen und Drogen gewisse Zauberkräfte,
die selbst von Gelehrten und Geistlichen sehr ernst genommen wurden, ausübte und in Ägypten
sehr zahlreich vertreten waren. Da im Lande Religionsfreiheit herrschte, war es den Menschen überlassen, den ihrer Überzeugung entsprechenden Derwisch zu Rate zu ziehen ( 65 ). Einige
von ihnen, die sich fast ausschließlich mit religiösen Übungen befassten und von Almosen lebten, waren sehr angesehen und respektiert, besonders bei der ärmeren Bevölkerung, nicht zuletzt,
weil einige als Wundertäter galten. Außer den Derwische, die nichts anderes taten als bei
heiligen oder privaten Festen lediglich ihre Riten ( s.den vorletzten Abschnitt ) durchzuführen
oder als Klagesänger bei Zauberfunktion ausübten, gab es auch solche, die hauptberuflich
z.B. die ärmere Bevölkerung als Wasserträger ( Saqqa, Anm. 43 ) versorgten oder bei besser
stehenden Familien als Händler, Handwerker, Fischer oder Landarbeiter tätig waren.

Man kann vier verschiedene Arten von Derwischen anhand der Farbe der Kleidung, der Art der Beschäftigung, aber auch hinsichtlich der Art der Ausübung ihrer Zauberei unterscheiden, so
dass es keine scharfe Grenze zwischen denen, die auf rein religiöser Basis, oder denen, die
mittels " reiner Zauberei " arbeiten, gibt. Dennoch ist die Vielfalt von Derwischen und Riten so
groß und zum Teil nicht durch Laien zu erfahren, dass es in diesem Rahmen unmöglich ist, aus-
führlich darüber zu berichten. Außerdem werden die Einzelheiten über die Riten und Gebräuche
der Derwische geheim gehalten und nur demjenigen weitergegeben, der selbst Derwisch werden
will ( 65 ).

Die Weihe zum Derwisch wurde mittels Gebeten oder Sätzen aus dem Koran von einem muslimischen Geistlichen durch geführt. Das Ritual der Derwische besteht hauptsächlich in
der Vorführung der sogenannten " Zikr " ( mystisch-religiöse Übung, Anrufung Gottes ). Diese
wurde in einer Art Kreis-oder Reihentanz durchgeführt, bei dem die Tänzer einander in längli-
chen Ringen oder Reihen gegenüber stehen. Dabei wurde " Es gibt keinen Gott außer Gott "
oder " Gott, Gott, Gott " gesungen und die Tanzenden versetzten ihre Körper und Köpfe in
kreisende Bewegungen. Solche Tänze wurden ohne Unterbrechung sehr lange bis an den Rand
der Erschöpfung durchgeführt, wo sie in Trance oder Ekstase übergingen. Der Tanz wurde oft
vom Spielern einer Bambusflöte, einer kleinen Trommel ( Tabla ) oder singenden Chören
begleitet ( s. Anm. 42 und Bilder ).

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22222: Die Hakima ( Hebamme )

Die Hakima wurde schon im Abschnitt 21432 erwähnt. Hinzuzufügen ist, dass die Methoden der Hebammen aber schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Larrey kritisiert wurden. Zunächst befand er, dass die Hebamme ohne Kunst im Sinne der westlichen Medizin praktizierte. Einige
von Larrey beobachtete Entbindungen, bei denen die Hebammen eine Art veralteten Stuhl be-
nutzten, verliefen nicht wunschgemäß. Er kritisierte die Art, wie die Hebammen die Nabelchnur banden. Auch das Waschen entsprach nicht seinen Vorstellungen. Von Hebammen durch-
geführte Kaiserschnitte oder Abtreibungen sollen meistens tödlich verlaufen sein. Clot
( s. Abschnitt 222 ) war der gleichen Auffassung wie Larrey. Er meinte, dass alles Misslingen
an der Unwissenheit der Hebammen auf dem Gebiet der Medizin lag. Sie würden nur deshalb
keinen größeren Schaden anrichten, weil man bei den Entbindungen in den meisten Fällen
wenig Aufwand brauchte, da die Ägypterinnen ihre Kinder fast immer ohne Schwierigkeiten zur
Welt brachten. Wenn gelegentlich doch Komplikationen auftraten, waren die Hebammen nicht
in der Lage, sie zu bewältigen.

Daher gründete Clot unter der Leitung einer französichen Hebamme die Hebammen-Schule in
Kairo. Zunächst ließ er schwarzafrikanische und äthiopische Sklavinnen nach französischem
Muster in Geburtshilfe ausbilden. Gleichzeitig sollten sie Arabisch lesen und schreiben lernen
( 66, 19, 70, 5, 60 ).

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22223: Der Hakim ( Arzt ) und der Misajen ( Barbier, Bader )

In Abschnitt 21431 wurde dargestellt, dass sich der Hakim bzw. der Barbier oder Bader außer
in der Zirkumcision nicht chrirurgisch betätigte und auch keine Amputationen durchführte.
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, also etwa 30 Jahre später, wird eine andere Gruppe
von Männern erwähnt, die zu den Misajen ( Barbier, Bader ) oder auch Garrah ( Chirurg ) gehörten
( 19 ). Außer ihrer Tätigkeit als Friseur waren sie zugleich Hakim und nahmen auch Aderlässe
vor, gebrauchten Saugglocken, zogen Zähne, öffneten Abszesse, führten Paracentesen, Augen-
operationen, Herniotomien und Amputationen durch. Zum Teil Methoden, die sie durch ihre
Einsätze während der Expedition Napoleons von den französichen Ärzte gelernt hatten ( 66 ).

Ferner gab es noch eine Unterteilung der Garrah, da nämlich einige von ihnen sich ausschließ-
lich mit Kontusionen, Frakturen usw. beschäftigten; sie hießen auf französisch " Rhabilleurs ".

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22224: Der Uleman und andere Geistliche


Der Uleman war der Theologe und Kenner des religiösen Rechts, während der Imam den
Gottesdienst leitete, der Muezzin von den Minaretten die Gebete verkündete, der Katif die
Aufgabe hatte, am Freitag in der Moschee zu predigen und der Cayyin für die Pflege der
Moschee zuständig war. Der Katif und der Cayyin unterstanden meist zwei Imamen, die
wiederum dem Nasir untergeordnet waren, dem eigentlichen Leiter der Moschee. Sie alle
unterstanden dem Uleman, der als höchster Geistlicher galt und an der Universität EI-Ashar unterrichten konnte. Jeder der Genannten hatte das Recht, die unspezifische Bezeichnung
Scheich zu tragen.

Heute tragen Scheichs eine kleine runde Mütze oder einen Turban. Eine kleine weiße Mütze
ist ein Zeichen dafür, dass er als Pilger in Mekka gewesen war.( s.auch Anm 40 )

Während der Imam meist ein Theologiestudent war, hatten der Muezzin, der Katif und der
Cayyin andere Beschäftigungen oder Berufe wie Barbier, Bader, Schneider, Schuster, Derwisch
oder Hakim u.a. ( 19, 65 ).

22225:  Das Leben im aegyptischen Dorf (Text)

Allgemeines

Auf dem Lande haben sich die Geräte seit Jahrtausenden nichtverändert, wie z.B. der Pflug, die Sakkieh oder die Boote. Nicht nur die Geräte und die Bauart der Häuser, ebenso nicht nur die Gebräuche gibt es ( s. Gestern und Heute ), wie vor Jahrtausenden, sondern auch die Physiognomie der Menschen hat sich nicht verändert. Bei genauerer Betrachtung der Ägypter weisen die Fellachen folgende Merkmale auf: sie sind hell- bis dunkelbraun und haben die Besonderheit, dass ihre Augen mandelförmig sind ( die Augenfarbe ist ebenfalls hell- bis dunkelbraun), sie haben eine gerade, meist große Nase und eine zurückgezogene Stirn mit etwas gewölbten Stirnknochen und glatte bis krause Haare (in Küstenstädten, Kairo und Nubien überwiegen krause Haare s. Bilder ( Kleidung). Die Mehrheit der Männer und Frauen ist mittelgroß bis groß ( manchmal bis zu 2 Meter) und sie gehen stolz und aufrecht. Sie gehen in einem typischen schwingenden Rhythmus, offensichtlich, damit beim Gehen die Galabeia (Gewand) zwischen den Knien nicht hängen bleibt.

Sprache und Stimme

Die Ägypter sprechen einen arabischen Dialekt, was sich vom klassischen Arabisch sehr unterscheidet. So wie manche deutsche Dialekte vom Hochdeutsch unterscheiden. Der Dialekt wird überall im Lande bis zur 1500 km entfernten südlichen Grenze gesprochen und variiert recht wenig, dass er dort überall verstanden wird (im Gegensatz zu einigen europäischen Dialekten). Die Nubier sprechen zusätzlich eine andere Sprache, die der äthiopischen Sprache näher steht (Hamitisch). Die klimatischen Bedingungen, anatomische Merkmale und viel Rauchen führen dazu, dass viele nasal und auffallend heiser sprechen und viel husten (bereits von den Franzosen zu Zeit der Expedition bemerkt) und fällt jedem Beobachter dort auf.

Kleidung, Arbeit und Freizeit

Die Galabeia (Gewand) und der Turban stammen aus der arabischen Zeit, sind heute aber ganz typisch für Ägypten. Einen großen Schal benutzt man gegen Sandstürme, oder in kühlen Nächten. Die typische Galabeia wird nur von Männern getragen. Frauen tragen ein einfaches Kleid darüber ein schwarzes Oberkleid das über den Kopf gestülpt wird, das aber nicht wie bei den Männer bis zu den Füßen reicht, damit sie beim Tragen schwerer Kopflasten nicht behindert werden. Wobei, wenn Männer auch Lasten tragen, binden sie den unteren Teil der Galabeia hoch. Die locker sitzende Kleidung ist für das dortige Klima ideal, in den Großstädten aber heute unpraktisch. Die Frauen tragen seit der fünfzigen Jahren keinen Schleier mehr. In den Städten sieht man viele Frauen und Männer europäisch gekleidet s. Bilder ( Kleidung ).

Die meisten der Dorfbewohner sind Fellachen und Arbeiten auf den Felder, dann kommen Berufe wie Geistlicher, Hebamme, Kräuterhändler, Metzger, Steinmetz. Bauarbeiter, Frisör, Schneider, Schmied, Sanitäter, Kutscher, Bootsmann, Fischer, Koch, Kellner, Kameltreiber, Wächter u.a.

In der Freizeit sitzt man vor dem Fernsehen zu Hause oder im Wirtshaus oder spielt man Backgammon, Domino, Dame oder Schach dabei trinkt man meist Tee (häufig mit Milch) oder Kaffee. Es gibt auch die Möglichkeit auch im Café nichts zu tun, die Wasserpfeife zu rauchen und für die, die das können, die Zeitung oder ein Buch zu lesen oder etwas zu schreiben.

Das Dorfhaus

Die Städte sind nach westlichem Muster geplant und, gebaut. Während dort krasse Missverhältnisse zwischen übertriebenem Luxus und ärmlichen Zuständen bestehen, herrscht in den Dörfern meist ein ziemlich ausgeglichenes Bild. s. Bilder (Dorf). Die Häuser in einem Dorf sind anders gebaut. Die dazu verwendete Backsteine werden aus Nilschlamm und kurzgeschnittene Stroh hergestellt. Für das Dach werden Palmenblätter und Stroh benutzt und anderen Material. Sehr armen Dorfbewohner leben in einer einfachen Lehmhütte.

Das Innere eines Hauses besteht im allgemeinen aus einem einfachen großen Raum mit einem Vor- oder Hinterhof umgeben von hohen Mauern. In diesem Raum essen, trinken und schlafen die Bewohner auf einem großen Strohteppich und Baumwollkissen. Gekocht wird im Hof, im Zimmer oder Nebenzimmer, in der Küche oder im Waschraum. In fast jedes Dorfhauses gibt es unmittelbar an der Eingang einen großen Raum mit Innenhof in dem das Vieh gehalten wird, z.B. Esel, Ochsen, Kamel, Hühner und Enten. Außerdem im Hof manchmal noch eine Kuh und einige Wochen vor Ramadan ein Schaf. Darüber hinaus findet man stets Katzen und mindestens einen Wachhund und meistens auch Tauben in spezielle Verschläge. Die Häuser stehen dicht aneinander Rückwand gegen Rückwand, so dass zwischen den Reihen enge Gassen entstehen. Jedes Haus hat nur eine große Tür. Nur ganz wenige besitzen zusätzlich eine Hintertür. Die wenigen Fenster sind häufig mit Gittern versehen.
( s.auch «« Anm.35 Bei den zweistöckigen Häusern führt eine kleine Treppe nach oben zu einer kleine Terrasse auf der kleinere Tiere gehalten werden (auch Ziegen und Schafe). Der Boden ist mit Stroh bedeckt, um deren Ausscheidungen aufzufangen, so dass die Terrasse ab und zu gesäubert werden kann. Hinter der Terrasse gibt eventuell noch zwei oder drei weitere Zimmer.

Finanziell besser Situierte, wie z. B, Bürgermeister, Fremdenführer, Kameltreiber, benutzen zum Bau ihrer Häuser rote Ziegelsteine, die mit Zement befestigt werden. Diese Bauart findet man auch bei allen Häuser eines Dorfes, das in der Nähe einer Stadt liegt. Die Wände dieser Häuser sind mit Gips bedeckt und anschließend mit Kalkfarbe angestrichen, meist in weiß, beige, hellgelb oder hellgrün (Pastellfarben. Diese Wände eignen sich sowohl im Sommer als auch im Winter als Isolierschicht,

Tapeten werden in Ägypten so gut wie gar nicht verwendet, besonders in den Dörfern nicht. Vor der Errichtung des Mauerwerks wird bei Wohlhabende ein aus Beton und Eisen bestehendes Gerüst aufgebaut, was gegen Erderschütterungen hilft. In einer vielköpfigen Familie leben die Eltern unten, den Raum gegenüber, in dem das Vieh gehalten wird. Daneben liegt die Toilette mit Sickergrube. Die Küche bzw. der Waschraum liegt auf der anderen Seite. Im allgemeinen hat in einer Familie der Vater als Familienältester das sagen. So bestimmt er z.b., dass die kleinen Kinder bei den Eltern, die älteren Kinder und Verheiratete oben, bei reicheren Familien in einem gesonderten Schlafzimmer, schlafen. Das Schlafzimmer ist mit einem großen Schrank und einem Bett, dessen Füße oft auf Holzklötze gestellt sind, eingerichtet. Häufig gibt es auch ein Wohnzimmer, das nach Nord- und Mitteleuropäischen Geschmack eingerichtet ist und ein wenig kitschig wirkt. Diese Einrichtung variiert je nach Wirtschaftslage und besteht in der Regel aus einem Sofa, zwei Sesseln, einem kleinen Tisch, einem Teppich und Bildern an der Wand.

Essen und Trinken

Normalerweise essen die Bewohner unten, jedoch, wenn Gäste kommen, wird oben ein Vorraum zwischen Schlaf- und Wohnzimmer als Esszimmer benutzt. Gegessen wird am Boden im Schneidersitz an einem niedrigen, runden Tische. Die Frau serviert das Essen. Während die Männer essen, wedelt sie mit einem Palmenzweig die Fliegen fort. Die Frauen essen später allein oder mit der Mutter und den Kindern und, wenn Männerbesuch da ist, in einem anderen Raum. Gegessen wird aus einem großem Teller (bei Reis- und Nudelgerichte), wobei jeder seine Ecke hat und man nicht wild und wahllos in den Teller hinein greift. Dabei benutzt man einen Löffel oder ein Stück Fladenbrot oder die Finger. Vor dem Essen bringt die Frau eine große Kupferkanne zum Händewaschen. Dabei wird eine kleine spezielle Kupferschüssel als Waschbecken verwendet. Diese Schüssel ist so konstruiert, dass sie in der Mitte etwas vorgewölbt ist, damit ein Stück Seife hineinpasst. Nach dem Essen wäscht man sich die Hände und den Mund. Während des Essens gibt es Wasser aus einem gemeinsamen Tonbehälter.

Auch beim Baden hilft die Frau ihrem Ehemann. Dabei steht der Mann in einer großen Kupferschüssel, während die Frau ihn mit Wasser übergießt. Auch die Wäsche wird in einer solchen Kupferschüssel gewaschen.

Trinkwasser wird, in Dörfern, Gemeinden bis zu etwa 15000 Einwohnern und in kleineren Siedlungen, von einer Pumpe einen nahgelegenen Wasserwerks, einer unterirdischen Quelle oder häufig noch, aus Bequemlichkeit, aus dem Kanal geholt. Es wird in großen Tonbehältern gelagert (s. Wasserhygiene) und einige Tage stehengelassen, bevor es getrunken wird (s. Trinkwasserversorgung). Außerdem wird Wasser aus einem Lastwagen, der in die Dörfer vorbeifährt verteilt. Ferner findet man in die Dörfer und ärmeren Viertel der Städte noch der Saqqa (Wasserträger), der Leute Anm. 43 u.Bild mit Wasser versorgt.

Verhalten gegenüber Tiere

Wenn Tiere auf der Terrasse gehalten werden, und man sitzt beim Essen (s. oben) kann es vorkommen, dass die Tiere versuchen mitunter den Tisch zu nähern, werden aber schnell vertrieben, was auch für Hunde und Katzen gilt. Haustiere, besonders Hunde, werden nicht mit ins Bett genommen, selten gestreichelt und vor allem nicht in die Nähe des Mundes gebracht oder gar geküsst. DieTiere werden nur für den unmittelbaren Nutzen gehalten, wie z.B. die Katzen die Mäuse dezimieren und die Ratten vertreiben sollen (Anm. 54)und die Hunde als Wachhunde dienen. Der Nachteil, der sich aus der Hunde- und Katzenhaltung ergibt, ist die Verbreitung von Flöhen. Während die Katze fast überall hindarf, wird der Hund nur außerhalb des Hauses (auf der Terrasse oder Hof) gehalten und gilt wie das Schwein als unrein. Schweine werden in den Dörfern überhaupt nicht gezüchtet außer bei Christen, die in der Nähe von Städten leben. Die Dorfbewohner besitzen selten Pferde und essen auch deren Fleisch nicht, sondern nur das von Wiederkäuern, selten Kamelfleisch, Kaninchen und Geflügel.

Die ägyptische Mahlzeit im Dorf (auch für arme und reiche Stadtbewohner)

Der Ägypter ist beinahe Vegetarier. Fleisch oder Fisch isst er nur ein- oder zweimal in der Woche. Meist drei Mahlzeiten pro Tag. Das Mittagessen besteht aus Kombinationen verschiedener Gemüsesorten, darunter Hülsenfrüchte meist mit Tomatensauce die mit Fladenbrot gegessen werden, besonders gefüllte Auberginen, Zucchinen, Tomaten, Artischocken, Kohl- und Weinblätter. Als Füllung dient Reis mit verschiedenen Kräuter, viel Salz, Zwiebeln, Knoblauch viel Pfeffer und scharfen Gewürzen. Mitunter wird auch Gehacktes von Rind- oder Hammelfleisch zusammen mit dem Reis verwendet. Außerdem gibt es verschiedene Gemüsesuppen mit Geflügel oder Kaninchen und Ragouts mit Kartoffel, Kohl, grüne Gemüse u.a. Gekocht wird mit viel Pflanzenöl, Margarine und Schmalz vom Rind oder Hammel. Gemischte Salate mit Öl und Zitrone oder Essig, viel Salz und Pfeffer (scharfer, roter Pfeffer) ergänzen das Essen. Als Obst, meist Wassermelone, Guaven, Orangen, Mandarinen u.a. Zum Nachtisch ist die Auswahl, der Süßigkeiten sehr groß z.b. Kunafa, eine Art feiner und länglicher Nudeln aus Mehlteig, die mit Zucker übergossen sind, oder Halva (Sesambutter mit Honig), Ferner Vanille- oder Wackelpudding u.a. Anschließend gibt es kräftigen Tee, und man raucht manchmal die Wasserpfeife.

Das Abendessen fällt leichter aus. Es wird Käse, Salami vom Rind, in Salz eingepökelten Fisch, schwarze oder grüne Oliven, grüne scharfe Peperoni, oder Eingemachtes anschließend Bienenhonig oder Melasseaus Zuckerrohr, alles mit viel Fladenbrot serviert.

Zum Frühstück gibt es meist das Nationalgericht mit hart gekochten Eiern. Das Nationalgericht besteht aus gekochten braune Bohnen, ein sehr wirtschaftliches protein- und vitaminreiches Gericht, Fuhl genannt, was auch in Europa inzwischen bekannt ist.

Die getrockneten Bohnen (Fuhl) werden in einem sehr großen Kupfertopf, bei kleiner Flamme, in Wasser ohne Salz ca. 12 Stunden lang gekocht. Danach werden sie, gewürzt mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft, dann in Öl mit Brot serviert.

Eine sehr häufige Version wird folgendermaßen vorbereitet: Die fertig gekochten Bohnen werden zu einem Brei zerdrückt, dann mit gehackter Zwiebel, etwas Knoblauch, mit Öl, Salz, Pfeffer, Kräuter, und scharfe Gewürze vermischt. Dieser Form ist sehr schmackhaft, daher heißt sie " Taameya " was so gut wie " die Schmackhafte " bedeutet und wird mit eingelegtem Gemüse ( Radieschen, Karotten, Gurken usw.) und Fladenbrot gegessen.

Eine weitere Variante besteht darin, dass man den Brei mit einem Spezialbesteck zu kleine Bouletten formt und in heißes Öl taucht. Die fertige gebratene Bouletten sind die auch hier wohl bekannten " Falafel ", die man auch mit eingelegtem Gemüse in Fladenbrot isst.

Diese Gerichte, deren Rezepte aus den Dörfer ihre Ursprung haben, erfreuen in den Städte, seit Urzeiten, große Beliebtheit. Außer den Schnellimbissen, die ausschließlich Fuhl, Taameya und Falafel verkaufen, gibt es auch Läden oder auf Karren eingerichtete Imbisse, die Nudeln oder Reis mit Saucen oder auch mit Leber, Gehirn, gebratenem Fisch oder Spießfleisch verkaufen. Die meisten Besitzer dieser Imbisse stammen aus Dörfern.

Zum Kochen wird ein Lehmofen benutzt, der im Hof oder etwas weiter vom Haus entfernt installiert ist. Als Brennstoff dient getrocknete Kuh- und Kamelmist (Tauben- und Hühnermist benutzt man als Dünge). Manche Leute besitzen einen Butangasherd oder einen oder mehreren kleinen Petroleumofen, der beim Anzünden eine ziemlich starke Flamme entstehen lässt, die der Stärke eines gewöhnlichen Gasherdes entspricht.

Das Leben im ägyptischen Dorf ( Bilder )S. Text dazu hier oben.

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